Teil 1: Was ist die Bewusstseinsseele?
Und was hat sie mit meinem "Ich" zu tun?
Wenn man sich die äußere Entwicklung der Menschheit anschaut, dann kann man auf Anhieb sehen, welch rasante Entwicklung der Mensch in den vergangenen Jahrhunderten zurückgelegt hat. Vom ersten Ackerbau bis heute - da ist richtig viel passiert! Insbesondere die technischen Errungenschaften sind enorm und das Tempo ist atemberaubend. Aber nicht nur äußerlich ist der Mensch vorangeschritten, auch im Inneren ist in den Jahrhunderten viel passiert. Insbesondere die Seelenentwicklung der Menschen birgt in der aktuellen Zeit ein unglaubliches Potenzial, denn mit dem Beginn der Neuzeit begann eine neue Stufe der Seelenentwicklung.
Die Geschichtswissenschaft setzt den Beginn der Neuzeit mit der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert an. Durch die Brille der Anthroposophie geschaut, nennt man die Zeit mit dem Beginn der Neuzeit den fünften Kulturzeitraum (1413 – 3573 n. Chr.), auch Germanisch-Angelsächsische Kultur genannt.
Es gibt in der Anthroposophie eine Unterteilung in insgesamt sieben aufeinanderfolgende Kulturzeiträume und für die Menschheitsentwicklung liegt der Schwerpunkt in diesen sieben Kulturzeiträumen darauf, im Inneren die menschliche Seele weiterzuentwickeln und weiter auszubilden.
Unser gegenwärtiger fünfter Kulturzeitraum dient der Ausbildung der Bewusstseinsseele und daher kommt auch der weitere Name für unseren Kulturzeitraum: die Bewusstseinsseelen-Kultur.
Und dieser gegenwärtige Kulturzeitraum ist wie gesagt eine neue Stufe der Seelenentwicklung. Sie ermöglicht es potenziell jedem Menschen, inneres Wissen von sich selbst zu erlangen und die wirkliche Natur seines „Ich“ zu erkennen.
Es handelt sich dabei nicht um eine äußerliche oder theoretische Betrachtung, sondern um eine seelisch-geistige Betrachtung, die durch die Seele geschieht.
Die Bewusstseinsseele ist übrigens das höchste Seelenglied. In der Entwicklung in vorherigen Kulturzeiträumen wurden
• die Verstandes- oder Gemütsseele (mittleres Seelenglied) sowie die
• Empfindungsseele (unteres Seelenglied) ausgebildet.
Die drei Seelenglieder (Empfindungsseele, Verstandes- oder Gemütsseele, Bewusstseinsseele) haben sich über viele Jahrhunderte im Menschen entwickelt, sie sind heute alle drei als Einheit im Menschen vorhanden.
Was ist denn nun das Besondere an der Bewusstseinsseele, die wir seit dem Beginn der Neuzeit in uns ausbilden und entwickeln können?
In der Bewusstseinsseele enthüllt sich die wirkliche Natur Deines „Ich“. Denn während sich die Seele in Empfindung und Verstand an anderes verliert, ergreift sie als Bewusstseinsseele ihre eigene Wesenheit. So also erlangt der Mensch durch die Bewusstseinsseele ein inneres Wissen von sich selbst.
Wie die Empfindungsseele und die Verstandesseele in der äußeren Welt leben, so taucht die Bewusstseinsseele in das Göttliche-Geistige ein, wenn sie zur Wahrnehmung ihrer eigenen Wesenheit gelangt.
Es soll nicht das Missverständnis entstehen, als ob hier das „Ich“ mit Gott für Eins erklärt werden soll. Das „Ich“ ist nicht Gott, sondern es ist mit dem Göttlichen von einerlei Art und Wesenheit. Ein Tropfen Wasser, der dem Meer entnommen ist, ist ja nicht das Meer. Aber er ist derselben Wesenheit bzw. Substanz wie das Meer. Ein richtiger Vergleich ist also: Wie der Tropfen sich zum Meer verhält, so verhält das „Ich“ sich zum Göttlichen-Geistigen.
[vgl. Steiner, Rudolf (2020): Die Geheimwissenschaft im Umriss. Basel 12. Auflage, S. 56 - 59].
In dem gegenwärtigen fünften Kulturzeitraum ist die Seele also auf einer Entwicklungsstufe angelangt, in der das „Ich“ sich anhand der Bewusstseinsseele seiner selbst bewusst werden kann.
Das „Ich“ ist der geistige Wesenskern des Menschen, seine eigentliche Ich-Wesenheit.
Zugegeben, soll das „Ich“ sich selbst wahrnehmen, so muss es erst aus den eigenen Tiefen heraufgeholt werden. Der geistige Wesenskern ist heute maßgeblich von zwei anderen Gegebenheiten verschüttet:
• zum einen vom Egoismus, der vornehmlich in der Verstandesseele auflebt
• und zum anderen von dem ich-Bewusstsein, das wir im Alltagsbewusstsein erfahren (niederes ich).
Nur im reinen Denken, in der seelischen Anschauung, ist das wirkliche Ich (der Wesenskern) zu ergreifen.
Wir haben also im gegenwärtigen Kulturzeitraum als Menschheit ein unglaubliches Potenzial, denn wir können bewusst unseren geistigen Wesenskern erkennen und daraus wirken.
Können wenn wir wollen, denn „einfach so“ passiert das ja nicht. Die Bewusstseinsseele ist da, aber sie muss entwickelt und ausgebildet werden. Bleibe ich im Alltagsbewusstsein oder im Egoismus stecken, dann verliere ich das Potenzial der Bewusstseinsseele. Und damit auch das Potenzial, mein Mensch-Sein zu verstehen, bewusst frei zu wachsen und Neues im Leben zu erschaffen.
Mein Blog-Beitrag ist eine Zusammenfassung, um ein Grundverständnis der Bewusstseinsseele zu vermitteln. Was ich nicht leisten kann: dieser Blog, und auch kein anderer Blog von mir, enthält die Kraft, die Deine Seele weiterbringt. Diese Kraft aus der geistigen Welt steckt nur in Texten, die einer unmittelbaren geistigen Anschauung entnommen sind.
Die lebendige Kraft in den Worten innerlich zu erleben, das erfordert das ruhige und besonne Lesen der anthroposophischen Originaltexte. Es ist wichtig zu verstehen, dass dies zwei verschiedene Dinge sind. Das abstrakte Verstandesdenken beim Lesen bleibt kraftlos und führt nicht zu einer inneren Aktivität der Seele.
Deswegen gibt es im Teil 2 zur Bewusstseinsseele einen Link zu einem Audio-Beitrag, der einen Vortrag von Rudolf Steiner zur Bewusstseinsseele vorliest (90 Minuten). Nur die Originaltexte von Rudolf Steiner selbst sind so verfasst, dass sie Deine Seelenkräfte ausbilden. Dies geschieht aber nicht einfach so, sondern nur dann, wenn Du bewusst daran arbeitest. Und wie das bewusste Arbeiten an Deinen Seelenkräften geht, davon handelt der Blog-Beitrag "Über das lebendige Lesen und Denken."
Weiterhin schreibe ich hier skizzenhaft über den heutigen, zeitgemäßen Erkenntnisweg des seelisch-geistigen Erkennens.
Welche Fragen sind in Dir entstanden, welche Gedanken? Wenn Du möchtest, gehen wir ein Stück gemeinsam und sprechen darüber.